Resonanz

Ein Wort, das immer mehr Bedeutung in meinem Leben bekommt. Vorallem hatte ich das Wort bisher im Zusammenhang mit Klangkörpern. Wobei ich dabei mehr auf das Wort Klang, als auf den zweiten Teil geachtet habe: Körper. Bzw. Verkörperung von dem, was ich ausstrahle. Vor ein paar Jahren habe ich verstanden, dass beim Gesang das, was ich von mir gebe, in meinem eigenen Klangkörper Resonanz findet (bzw. finden kann wenn ich nicht zu viel Druck gebe, wenn ich eine Einheit bin). Und jetzt erlebe ich die Bedeutung von Resonanz im Kontakt mit Menschen. Nicht mit allen kann ich eine Einheit bilden. Nicht bei allen finde ich Resonanz. Im Hebräischen sagt man: „meshane makom, meshane mazal“ Verändert sich der Ort, verändert sich das Glück. Gestern bin ich wieder zurück ins Zentrum von Israel gefahren und jemand meinte zu mir, ich wirke viel geerdeter. Als wäre ich der Realität begegnet. Wie Recht er doch hat. Ich bin einer Realität begegnet, die ich nicht die meine nennen möchte. Ich wusste von dem ersten Moment an: Dieser Ort wird niemals mein Zuhause sein.

Bevor ich vor einer Woche in die Wüste fuhr, dachte ich noch, dass mein Leben gerade zu sehr einem Traum/ einer Geschichte ähnelte. Es war zu schön um wahr zu sein. Und Bam! Here we go. Endlich, wonach ich mich so lange gesehnt habe. Ich war doch diejenige, die unbedingt DIE KULTUR UND ALLE IHRE SEITEN kennenlernen wollte. Ich bin doch diejenige, die gerne tief eintaucht und Dinge pur und unverpackt erlebt. Da hab ich es! Menschen, die sich anzicken, Vögel, die mich ankacken, Hängematten, für die ich zu schwer bin und Lebensmittel, die meinen Magen in Schach Matt setzen. Nachdem ich wieder einigermaßen auf beiden Beinen stehen konnte, hab ich meinen Sachen gepackt und bin abgezogen. Keine Antsalten, im Laufe des Tages mit dem Auto weggefahren zu werden. Nein. Einfach nur noch weg. Keine Sekunde länger wollte ich bleiben. Weg von dem Ort, der mir meine Kreativität nimmt, wo meine Präsenz schweigsam toleriert wird oder besser gesagt, ich zu jedem möglichen Moment einen giftigen Komentar bekomme. Weg von dem Ort, an dem das Gemüse zu Neige geht und ich verurteilt werde, die letzte Aubergine zu kochen. Weg von dem Ort, an dem ich draußen im Wind sitze und die anderen drinnen mit Ventilator. Es gibt Menschen, mit denen gibt es einfach keine Resonanz. Oder eben eine sehr raue, abgehackte schrille. Kein warmes Gefühl, keine Geborgenheit, kein Genuss vom gemeinsamen Klang. Und? Das ist ok. Ich muss da ja nicht sein. Ich habe alle Möglichkeiten, einfach zu gehen. Ich bin von niemandem dort abhängig. Ich bin niemandem etwas schuldig. Das Einzige was zählt, ist, dass es mir gut geht. Das ist Oberstes Gebot. Und dann kommt der Rest von selber. Dann bin ich bereit, hart zu arbeiten, auch für andere. Sofern ich weiß, meine Hilfe ist deren Glück.

Ich bin nicht nur geerdeter, mein Kopf ist auch viel klarer. Ich arbeite effizienter und sinnvoller, ich weiß, was ich zu tun habe. Ich freue mich Maya und Udi zu helfen bei ihrem Herzensprojekt: Ein Haus aus Lehm zu bauen.

Ich glaube zum ersten Mal ganz bewusst zu erlebt zu haben, wie es sich sich anfühlt, jemandem etwas Schlechtes zu wünschen. Ich hatte einen richtigen Hass auf die Leitung Freiwilligen, wollte Rache schieben, auch wenn ich wusste, dass auch er nur Liebe sucht und irgendwie seinen eigenen Wert vor sich und anderen beweisen muss… Aber ich hab mich dabei nicht schlecht gefühlt. Mir war einfach total klar: Wir passen nicht zusammen. Ich wusste, ich bin nicht falsch. Es liegt nicht an mir, sondern an unseren Gegenpolen, die wie zwei Magnete sich abstoßen.

Ich war so verbunden mit meinem eigenen Bedürfnis, dass ich genau wusste, was ich will. Obwohl es mir nicht wirklich schlecht ging, war mir klar, dass ich bald wieder gehen werde. Die Frage war nur wann. Bis dahin habe ich habe mich fokussiert, auf das, was es gab. Ich habe mich stundenlang vor meine Hebräisch-Hefte gesetzt, mir neue Lernstrategien ausgedacht und mit der anderen deutschen Freiwilligen Christina unsere kleine Oase aufgebaut. Und nachts durfte ich in einer wunderschönen Jurte schlafen mit Lehmboden, einem Gerüst, Netz und getrockneten Palmblättern darauf. Es gab sogar eine Massagebank, auf die ich mich als Probantin für Christinas Massagekünste legen durfte. Beim Aufwachen fiel mein Blick geradewegs auf den Sonnenaufgang und zum Schlafengenen gab ich Kerzenlicht. Nah zur Jurte stand eine Außendusche zu der ich ohne Kleidung gehen konnte. Danach hat mich der Wind getrocknet. Es war egal, ob ich noch Sand an den Füßen hatte wenn ich zur Tür hinein kam, denn in der Wüste gibt es Sand, wie Plastik in der Stadt. Du wirst ihn eh nie los.
Für den Weg zur Küche
hatte ich die Stirnlampe dabei, die mir der Argentinier aus Beit Hilel geschenkt hatte. Ich wurde oft genug gewarnt vor Schlangen und Skorpionen aber nur einmal bin ich einem Tier begegnet, das mich vor Schreck zurückrennen lies. Komplett diffus ist es rumgerannt, wie eine durchsichtige Spinne mit langen Fühlern auf dem Kopf. Oiweiwoi! Ich konnte nicht anders um doch nochmal aus der Tür rauszuluken und mit Faszination zu betrachten, was mir da begegnet war.

Der einzige Shabat, den ich dort verbracht ahbe, war ein besonderer Tag für mich. Ich habe mich auf den Weg gemacht in die Dünen hinein. Hoch hinauf und mit weitem Blick. Nichts anderes als Sand und vertrocknete Wüstenblumen. Im Hinterkopf die Vernunft, die sagt nicht zu weit zu gehen, denn anscheinend sieht die Wüste niemals gleich aus. Jeden Tag bekommt sie eine andere Form und du deine Spuren werden vom Winde verweht. Also genau so weit gehen, dass ich keine Zivilisation mehr sehe, egal in welche Richtung ich blicke, und trotzdem so nah, dass ich weiß, der Stand der Sonne weist mir den Weg zurück.
Auf
dem Weg durch die hellbraune Hügellandschaft bin ich etwas begegnet, das ich so noch nicht kannte. Einem Ort mit so wenig Hall, dass das eigene Geräusch im Wind verfliegt und nichts davon bleibt.
Einer vollkommen trockenen Stille.
Jede Bewegung meines Körpers fühlt sich
ganz nah an und so momentan. Als gäbe es kein vorher und kein nachher. Ich erinnerte mich an meinen Kontrabasslehrer, der in der Klasse einmal fragte, ob wir manchmal eine innere Stille erlebten. Und ich glaube, das kenne ich nur ganz selten. Vielleicht sogar nie. Und hier erst recht nicht. Andauernd bin setze ich mich mit Dingen auseinander, die neu für mich sind. Ich übersetze meine Gedanken ins Hebräische und mein Kopf ist ein Computer, der sich nach Lüftung sehnt. Aber zwischen den Dünen habe ich sie gespürt. Hier konnte ich Ruhe finden. Hier konnte ich mir begegnen. Und zwar meinem Kern.

Ich will gerne nochmal zurück in den Süden. Eine Wanderung machen für einen ganzen Tag, dort entlang laufen und dem Nichts begegnen. Ich muss an Bastian aus der unendlichen Geschichte denken. Alles was in der Wüste an einem Tag passiert ist, ist in der Nacht wieder verschwunden. Jeder Tag war wie ein Neuanfang…. Ich denke viel an die Unendliche Geschichte und an die Wünsche, die uns leiten. Vielleicht ist das auch eine Art Resonanz. Ich weiß jetzt zumindest noch besser, für wen ich gerne arbeite, wer mir gut tut und wer mir einfach egal ist.

2 thoughts on “Resonanz

  1. Liebe Mira!
    Es ist ein solches Geschenk, Deinem Blog folgen zu dürfen. Hab herzlichsten Dank dafür! Ich freu mich wie ein Schnitzelkönig – wie meine Große das so ausdrückt – mit Dir durch das Land zu reisen und auch nach innen, Menschen, Tieren, Pflanzen, Landschaften zu begegnen und Wesentliches zu entdecken, zu verstehen und miteinander auszutauschen, d. h. den Augenblick zu leben und miterleben zu lassen. DANKE DIR und weiterhin so berührende, anregende, Blick öffnende Begegnungen voller Freude und Lebendigkeit! Ganz viel Segen und Pfiat’di , herzlichst, Almuth

  2. So eine tolle Sprache!
    Und so ein Tiefgang! Schwung! Dramaturgie! Rhythmus!

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