Bei Hermann in den Golan Höhen

Ranon, der Vater der Familie, ist Handwerker und Gärtner. Meistens schweigt er, wenn wir am Esstisch sitzen. Ab und zu hilft ihm Maher. Dann bleibt er zum Mittagessen und erzählt und erzählt. Über seine Erlebnissen in Aachen mit den arabian horses, über all die Länder in denen er schon war und natürlich über sämtliche Bekannte und Gerüchte über sie. Ich verstehe nicht viel, ich sehe ihm gerne zu wie er lebendig mit den Armen gestikuliert und seine Augen groß werden und leuchten lässt.

An einem Samstag nimmt er uns mit in sein Dorf bei den Druz, direkt in den Golan Höhen. Die Golan Höhen waren in den letzten Jahrzehnten mal Teil von Israel, mal von Syrien. Doch die Bewohner sind die gleichen geblieben. Die Druzim sind staatenlos und haben ihre eigene Religion. Doch sie passen sich an die Regeln des jeweiligen Staates an, in dem sie leben. Lernen die Sprache und gehen sogar zum Militär. Außer in den Golanhöhen, da ersparen sie sich das Militär. Wo sie doch noch ein paar Jahre zuvor einem anderen Land zugehörig waren.

Als wir das Haus von Mahers Mutter betreten, sehe ich vorallem große leere Räume. Am meisten bekommt ein Raum meine Aufmerksamkeit, in dem keine Betten, sondern nur dünne Matratzen auf einem hohen Stapel liegen. Doch das ist tagsüber. Über Nacht wird aus dem Zimmer ein Bettenlager. Je nachdem wie viele Leute sich gerade ein Zimmer teilen, sind sie über den Boden verbreitet. Im Winter wird dann der Kamin in der Mitte vom Raum angeschlossen, sodass jede(r) etwas von der Wärme abbekommt.

Das Haus wird laut Tradition sein jüngster Bruder erben. Vom Balkon aus zeigt er mir den Ort, an dem er sein eigenes Haus bauen will. Etwas den Hügel hinunter, ein kleines Stück Land. Er träumt: !Es wird das Zentrum der Welt. Menschen von überall sollen dahin kommen. Egal woher, welche Religion, welche Hautfarbe.“ Er sieht sich als Sohn der Erde. Und ich bin die Tocher des Windes. Denn egal, wo er mich hinbrachte, am meisten genoss ich von den Orten, wo mir der Wind um die Ohren fegte.

Während Maher uns seine Lieblingsplätze zeigt, erzählt er und erzählt er. Ich bin total beeindruckt von den eleganten traditionellen Häusern aus hellem Sandstein, bis mir Ranon erklärt, dass sie einfach nur Betonklötze sind mit Steinfassade. Die echten traditionellen Häuser sind aus massivem Stein und sehen ganz einfach aus.

Was mir am meisten hängen bleibt, ist der Ort, wo es möglich ist bis nach Syrien zu sehen. Es ist eine Erhöhung, von der in alle Richtungen zu sehen ist. Die Mauern laden zum Klettern und balancieren ein. Ein kleiner Spielplatz. Ganz vorne, wie auf einen Schiffsbug, setze ich mich hin und spüre den Wind. Ich blicke in die Weite und singe. Plötzlich höre ich Ranon erzählen. „Vor zwei Jahren standen wir hier und haben den Krieg in Syrien gesehen. Ganz dort hinten kann man an klaren Tagen bis nach Damaskus sehen.“ Dieser Hügel diente damals, vor gar nicht langer Zeit, als Versteck für die Soldaten. Jetzt ist es ein touristischer Aussichtspunkt.

Am Ende der Tour führt Maher uns auf einen Hügel, von dem man sein Dorf aus der Ferne sehen kann. Es liegt ein wenig höher als die anderen Dörfer und wirkt wie das Zentrum der Welt. Im Hintergrund bricht die Sonne durch eine dünne Wolkendecke. Die ganze Landschaft ist von silbernem Licht überströhmt. Am Horizont sind die Kontoren des höchsten Berges „Germon – Hermann“ zu sehen. Da, wo die Israels im Winter Skifahren gehen. Ich sitze auf einem Vorsprung. Vor mir Weite und ein Meer aus Hügeln. Der Wind in meinem Gesicht.
Wenn ich an den
Machu Pichu denke, dann stelle ich ihn mir so vor.

Auf dem Rückweg kommen wir an einem Falafelladen vorbei. Uns bedient ein älterer Herr mit traditioneller Kleidung. Sie kommt mir türkisch vor und ich erfahre, dass sie sich verändert hat im Laufe der Zeit. Auch die Golanhöhen waren mal Teil des Ottomanischen Reiches wie an diesen kleinen Details festzumachen ist. Geschichte wird lebendig.