Menschen

Wo ich in anderen Orten hitch-hike um Leute kennenzulernen, reicht es hier aus, sich in den Bus zu setzen und einfach nur irgendetwas zu machen. Ich habe noch keine Fahrt schweigend verbracht. Gestern Abend auf dem Heimweg, draußen die Straßen dunkel, mit blinkenden Lichternn versehen, der Bus hell beschienen, schrieb ich mal wieder in mein Tagebuch. Die Person mir gegenüber fragte direkt nach, was ich denn da schreibe. Ob ich Touristin sein und was ich denn so sehe. Also erzählte ich ihr von meinen Notizen, den Gedankenfetzen, mit denen ich gerne rumspiele. Sehr schnell schien sie zufrieden, und auf meine Frage hin, ob sie denn auch schreibe, gab sie als Antwort: nur Einkaufslisten. Gespräch beendet.

So ähnlich erfuhr ich es letztens am Fluss: Etwas weiter weg saß eine Person mit einem Buch, die ich heir noch nie gesehen hatte. Ich hatte mein Tagebuch auf dem Schoß und wollte gerade anfangen zu schreiben, da wurde ich schon wieder drauf angesprochen. Ich hab meine Sachen zur Seite gelegt, bin etwas näher gerückt und hab mich auf das Gespräch eingelassen. Auf meinem gebrochenen Hebräisch habe ich irgendwie versucht zu erzählen, was ich denn in Israel mache würde. Versuch gescheitert. Jedenfalls meinte sie ganz plötzlich, dass sie jetzt wieder ihr Ding machen würde und ich ja meins machen könne und dass es sie gefreut habe mich kennenzulernen. Und da saß ich dann neben ihr, etwas bedröppelt, mit dem Buch vor mir aufgeschlagen, zu nah und irgendwie zu sehr aus dem Kontext gerissen, um mich einfach wieder auf meinen Text zu konzentrieren. Sie war seelenruhig wieder in ihr Buch vertieft. Irgendwie suspekt. Aber doch sehr echt.

Seit dem Moment, als ich Abiya bei einem Skype-Gespräch für das Auslandssemester zugesagt habe hatte ich das Gefühl, genau das Richtige zu machen. Und bis heute, hat sich das nicht verändert. Der Wwoofing-Ort, die Menschen, die ich am Fluss treffe, der Fluss selber, die Familie hier, es fühlt sich einfach gut an. Dinge ergeben sich und meine Bemühungen und Wünsche werden zu Realität. Die Menschen scheinen mir hier so extrem offen und nett. Sie lassen sich begeistern und mtireißen von dem frischen Wind, den ich mitbringe. Gleichzeitig sind sie sehr direkt in ihrem Ausdruck und sagen mir ihre Eindrücke über mich geradewegs ins Gesicht. Was ich so schön finde ist, dass sie keine Angst haben, einem zu sagen, dass sie einen mögen oder dass ihnen jemand wichtig ist. Ich fühle mich angenommen, als dürfte ich einfach ICH sein, weil genau das so sehr geschätzt wird. Es verschwindet diese skeptische Distanz, mit der wir noch Fremden begegnen, mit der wir uns so sehr versuchen zu schützen um ja „cool“ zu bleiben, unantastbar, unverletzbar, eigenständig, autonom.

Auch mein Besuch in der Universität war, als ob ich da schon lange dazugehöre. Ich habe einen Kurztrip nach Tel-Aviv gemacht um mir Wohnungen anzuschauen und Abiya, meinen Supervisor zu treffen und Bar I’lan Universitah kennenzulernen. Abiya hat mich wie selbstverständlich mit offenen Armen empfangen und wir sind gemeinsam mit Raviva essen gegangen. Raviva ist die Koordinatorin von dem Projekt Kelim Shluvim, bei dem ich Menschen mit geistiger Beeinträchtigung Musikunterricht geben werde. In dem Restaurant, das von Arabern geführt wird, erfahre ich, dass Abiya so etwas sonst nicht macht und stattdessen seinen Magen mit 13 Tassen Kaffee am Tag füllt, da er keine Zeit zum Mitagsessen findet. Nachdem ich mit Fragen zu meiner Herkunft, meinen Plänen in Israel und meinen Vorlieben zu Tee bombadiert wurde, habe ich ihnen von meinem misslungenen Kauf von 2,5 Kilo Tee für ungeschlagene 120 Euro in München erzählt. Beide haben herzlichst aus dem Bauch heraus gelacht und ganz offen und ehrlich gesagt, wie sehr sie das Treffen genossen hätten und sich wünschen würden, dass es öfter passiert. Ich freue mich richtig auf die Zusammenarbeit!