Zauberschmaus #3

Jeden Morgen gibt es bei mir erstmal 2-3 Mangos. Dann nach der Arbeit einen Salat aus Tomaten und Gurken mit einer Sosse aus Tahin, Wasser und Zitrone. Wer es besonders aromatisch will, haut noch Knoblauch und Olivenöl rein. Diese zwei Elemente sind quasi die Standardbeilage zu jedem Essen. Bei mir gibt’s das dann mit Quinoa oder Buchweizen-Quinoa-Pfannkuchen und angemacht mit Granatafelsirup. Dazu zum Abschluss Choko-SumSum, in Mischgetränk aus Carob, Sesam, Wasser und Dattel – Spezialrezept der Familie. Gestern Mittag gab es eine eine ganz besondere Ausnahme: Weizenfladen mit Zatar.

Zatar (Satar – ausgesprochen mit stimmhaftem) ist eine Pflanze, die aus der Thymian-Familie kommt und gerne mit Sesam, Salz, Olivenöl und Zitrone gemsicht wird. Dann wird sie auf alles mögliche geträufelt; bei den Druz gibt es ihn mit Käse, und hier eben auf arabischem Pfannkuchen. Sau lecker! und da ich in Beit-hilel mehrere Stunden damit verbracht habe, Zatar vom Stiel zu entfernen, schätze ich das Gewürz umso mehr.

Wenn ich all diese Dinge in Deutschland essen würde, käme ich mir wie eine Königin vor. Bzw. Ich korrigiere mich: Ich fühle mich wie eine Königin. Auch hier. All die Früchte, die Gewürze, das frische Gemüse und die Nüsse…
Ich genieße sie jeden Tag!

Da Israel hauptsächlich von der Religion als Kultur geprägt ist, gibt es eigentlich keine typischen national-Spezialitäten oder Bräuche. Das kulturelle Erbe entspringt der Torah und den Bräuchen des Judentums. 

Ist das in Deutschland so anders? Wenn ich an Weihnachten und Ostern denke, unsere größten Festlichkeiten, fällt mir auf, wie tief das Christentum verankert ist. Der Kalender richtet sich danach. Die Geschäfte. Die Musikant*innen. Sogar meine halb-türkische Freundin feiert Weihnachten…

Die meisten Nicht-Gläubigen nennen sich trotzdem Juden, denn das ist die Kultur, mit der sie sich verbunden fühlen und dessen Traditionen sie folgen. Und ich glaube, was nicht zu unterschätzen ist: so werden sie auch von der Außenwelt gesehen. Einmal Jude, immer Jude…

Jeden Samstag wird hier Shabbat gefeiert. Es ist, als würde die Welt für einen Moment stehen bleiben. Keine Busse, keine Geschäfte; das ganze Land auf Pause. Es war Teil der Abmachung bei der Gründung eines jüdischen Staates. Doch viele der jungen Leute, größtenteils in Tel Aviv, willen diese Tradition immer mehr loslassen. Also gibt Nachtbusse, die von Arabern gefahren werden und die Clubs sind geöffnet.

Umso länger ich hier bin, umso mehr Schichten zeigen sich mir auf.  Es gibt jüdische Zionisten (Verfechter des Staates Israel), jüdische Haridim (extrem Gläubige, manchmal sogar gegen einen Israelischen Staat), jüdische Agnostiker/Atheisten, jüdische Traditionsverfolger, jüdische Anarchist*innen, Kapitalist*innen, Kommunist*innen, Patriarchist*innen, usw. Und natürlich bringt jede Familie ihre eigenen Bräuche mit, je nachdem, woher sie ursprünglich kommen. Hummus und Falafel (urspruenglisch aus arabsichen Staaten des Mittleren Osten), so wie auch die “Hand der Fatima” oder eben hier “Hamsa” genannt, werden die neuen Symbole Israels. Sogar Brezn gibt es zu kaufen.

Trotz dieses Patchwork-Konstrukts spüre ich einen Zusammenhalt, die Menschen teilen etwas in ihrem Verhalten. Sie wirken neugierig und offen für neue Einflüsse bei dieser Suche nach dem Eigenen, Einzigartigen. Es kann weh tun, zu sehen, wie sie sich das kulturelle Erbe anderer zu eigen machen und ich verstehe die Kritik daran. Aber wenn ich durch die Straßen laufe, fühle ich mich irgendwie zuhause… Ich mag dieses zusammengewürfelte chaotische Etwas.