Ende des Nomadentums

Den ganzen Tag drinnen zu sein, ermüdet mich. Manchmal habe ich das Gefühl, mir würde die Decke auf den Kopf fallen und alles zieht mich einfach nur nach draußen. Aber es hat auch viel schönes, so ein eigener Ort. Gestaltet mit den wenigen Dingen, die ich mitgebracht habe. Hier und da ein Detail, ein Licht, ein Bild, eine Kerze. Euphorie kommt in mir hoch wenn ich zum ersten Mal die Läden der Umgebung erkunde, auf der Suche nach Orten, an denen ich mich wohl fühlen könnte, die genau das Essen verkaufen, das ich mag. Gutes Öl und Kakao, Datteln und frisches Gemüse, Tef-Mehl und Tahin.

Ich besuche meinen einzigen Bekannten hier in der Gegend in der Eisdiele und bringe meine Wäsche in einen Waschsalon. In einem Schreibwarenladen besorge ich rote Folie und bekleide damit meine Küchentheke. Beim Blumenladen hole ich frische Erde und topfe die vererbten Pflanzen meines Vormieters um.
Ich verabscheide mich von der sporadischen Barbi-Bettlaken-Lösung und ziehe die übrig geblieben Nägel aus den Wänden.
Teller und Gläser sortiere ich neu und die Möbelstücke schiebe ich hin und her, bis sie einen Platz gefunden haben, wo sie, obwohl sie leer und ungenutzt sind, den Raum trotzdem wohnlich machen. Wirklich viel Zeug hab ich nicht, deswegen behalte ich die DVDs und Platten von unserem Vormieter, auch wenn wir für keins der beiden ein Abspielgerät haben. Ich stelle seine Überbleibsel vereinzelt in der Wohung auf und tue so, als herrsche Leben.

Ich weiche Kichererbsen ein, koche sie und stampfe sie zu Hummus, denn einen Stabmixer gibt es auch noch nicht. Ich mische meinen gepflückten Zatar mit Öl und Sesam, bereite Salat zu, richte alles fein her in einer ovalen Schale und setze mich auf den Boden für mein erstes Mahl in meinem neuen Zuhause.

Mevin aus Beit Hilel wohnt für einen Monat in Jaffo, dem älteste Stadtteil von Tel-Aviv, um dort einer öffentlichen Werkstatt zu arbeiten. Ich komme ihn gemeinsam mit Tadita und Ranon besuchen. Der Raum ist schlank gebaut und hoch, mit grellem Licht und weißen Wänden. Zumindest jene, die er nicht schwarz bemalt oder beschriftet hat.

Mevin ist mein lebendiges Vorbild, wenn es darum geht, nach dem Bauchgefühl zu handeln und einfach das zu machen, was sich gerade richtig anfühlt. Ohne groß darüber nachzudenken. Ich erinnere mich gerne an den meterlangen Bus, den er in eine Oase, ja eine komplette Wohnung umgebaut hat. Mit wunderschönen Einzelstücken aus Holz, einzigartigen Lampen und zwischendrin seinen Skizzen. Von außen umwachsen von wildem Gesprüpp. Jetzt sitzt er in einer Ecke, wie eingesperrt in einem Kellerzimmer. Ein paar seiner Werke hat er mitgebracht, sie stehen vereinzelt in dem Raum verteilt. Ich frage ihn, ob er immernoch so gut wisse, sich selber zuzuhören. Er schaut mich an. Die Stadt macht ihm zu schaffen. So viel sie auch zu bieten hat, sie ist gleichzeitig auch so unglaublich gierig. 

One thought on “Ende des Nomadentums

  1. Was für ein schöner Schluss!
    Und wie du den Alltag beschreibst, bekommt alles einen eigenen Wert, selbst di banalste Handlung. Einfach zum Nachmachen – das heißt, mit der selben Wertschätzung diese Dinge machen, ohne Eile und ohne den Hintergedanken, dass man jetzt eigentlich schon etwas ganz anderes machen müsste. Danke!

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