Wenn’s um Geld geht und ums Teilen…

Mein Kreditkartenlimit war anscheinend erreicht und meine unheimlich unterstützende Bezugsbank in Deutschland (Sparkassenidioten) haben mich mit Freude auf die Dringend-zu-bearbeiten-Warteliste gesetzt und dort bis heute verweilen lassen. Nach mehreren gescheiterten Versuchen, bei ihnen etwas in Bewegung zu bringen, habe ich mir also selber Geld geschickt via Western Union, und siehe da, 2 Tage später war ich wieder fähig, meine Zitronen selber zu bezahlen. In der Zeit ohne Geld konnte ich auch kein Bus fahren. Also musste ich irgendwo ein Fahrrad besorgen. Ein Freund hatte mir 200 Shekel geliehen, von denen noch genau 48 übrig waren. Umgerechnet ca 15 Euro. Nachdem ich schon zwei Stunden Fußweg auf der Suche nach Secondhand-Fahrrad-Geschäften hinter mir hatte, bin ich in bei einem Straßeneck-Fahrradladen einem Mann gegenübergetreten, der mir im ersten Moment langsam und auf den zweiten Blick im Herzen sehr sehr traurig erschien. Wie ich erfuhr, war er kurz davor, den Laden zu schließen. Miete zu teuer, zu wenig Einkommen. Ein Jahr hat sich die Werkstatt gehalten. Ich habe ihm erklärt, dass ich nur 40 Shekel zur Verfügung habe und auf der Suche nach einem Leihrad sei. Und siehe da, er war tatsächlich bereit, mir für das wenige Geld ein Fahrrad zu geben, mit halbem Schloss dazu und dem Vertrauen, dass ich eine Woche später wiederkäme um ihm das Fahrrad abzukaufen, für einen verhandelten Preis von 150 Shekel (Ca. 40 Euro). Als ich aus dem Laden ging, hatte ich ein schlechtes Gewissen wegen der Handelaktion. Wieso nach noch mehr fragen, wenn mir doch schon so viel gegeben wird…? Eine Woche später überkam mich das selbe Gefühl als ich ihm das Fahrrad zurückbrachte und für die 40 Shekel Leihgebür, die ich bezahlt hatte, um das halbe Schloss bat. Warum war ich nicht bereit, noch mehr zu zahlen? Wenn ich doch wusste, in welch schwieriger Situation er war? Mit seiner traurigen Gestik im Rücken habe ich den Laden Verlassen, mit einem Gefühl von Schwere und Unwohlsein. Es hat mich sicher Hundert Meter gekostet um mich umzudrehen, zurückzugehen um ihn auf seinen traurigen Blick anzusprechen und dann doch nicht ganz zu ihm zurückzukehren, da er schon einen neuen Kunden hatte…. Vielleicht komme ich bald mal vorbei, mit zwei Tassen Tee…
Das hab ich mir gesagt.
Um mich zu beschwichtigen?
Vielleicht… Die Grenze zwischen annehmen und ablehnen ist verschwommen. Immer wieder bekomm ich eine geklatscht. Ich nehme wahr, dass ich zu viel gefragt habe, denn ich kenne die Regeln nicht. Ich weiß noch nicht, wie und was ich geben kann, sodass es gerne angenommen wird. Insgeheim wünsche ich mir glaube ich immernoch, dass sie es ablehnen. Ein Gefühl von „Ich muss aufpassen, denn ich könnte ja nicht genug haben“ begleitet mich stetig.

Die Menschen hier geben. Einfach, weil sie es so kennen. Sie schenken, was sie haben. Tauschen miteinander, gehen Deals ein. Und ich mache mit, nehme ihre Großzügigheit an, bestaune sie und bin überfordert damit, es ihnen nachzumachen.
Schon lange will ich lernen zu teilen. Mit Dingen und Essen und allem, was vergänglich ist. Meine Gäste einladen, sie genießen lassen und nicht über meinen Verlust nachdenken…

Ich erinnere mich, wie ich in der Grundschule immer relativ verzweifelt versucht habe, meine Süßigkeiten vor meiner großen Schwester zu verstecken. So lange, bis sie steinhart waren. Dabei hat sie immer mit mir geteilt. Mir ihre alten Klamotten geschenkt, CDs gebrannt, Pizza bestellt… Und wie oft wurde ich zum Abendessen eingeladen von der Familie meiner ältesten Freundin, auch wenn es eigentlich genau für 4 abgemessen wurde. Etwas Wasser zur Suppe hinzufügen, sagt man im Spanischen. Denn für Gäste gibt es immer genug.

 

Wir hatten selten Gäste, zuhause. Unser Wohnzimmer schien nicht passend dafür und Knabberzeug hatten wir auch nicht zu bieten. Und wenn dann, war es zu gesund für den Normalverbraucher und es war mir peinlich. Wir hatten eben das, was wir selber brauchten. Der Platz war abgemessen für uns, die Zeit eingeteilt…

Manchmal denke ich, dass ich nichts zu geben habe, jetzt wo ich hier bin, und eingeschränkt in meinen materiellen Gütern. Als Neuankömmling bin ich angewiesen auf praktische Hilfe. Und im Gegenzug trete ich den Menschen offen und pur gegenüber, zeige Dankbarkeit… Ich haben mich also für ein anderes „Geben“ entschieden. Ich teile meine Energie, mein Lachen, meine Freude, meine Musik, meine Ohren und kleinen Weisheiten. Und manchmal fühlt es sich tatsächlich an, also würde ich mich teilen. Als Ganzes übergeben.
Müde bin ich danach. Nicht, weil ich es nicht auch selber genieße mit anderen. Sondern weil es erfordert, nach außen gekehrt und präsent zu sein, nachzufragen, Interesse zu zeigen, offen zu sein und neugierig… Kurz um: aus der eigenen Zone heraustreten und sich nicht verstecken zu können. Manchmal will ich also einfach nur in meinem stillen Kämmerchen sitzen, mich von der Welt abkapseln und neue Energie tanken. Dann habe ich meinen Körper und meine Liebe ganz für mich, bis ich wieder stark genug bin, in die Welt hinaus zu treten.