Baum, Mond und Stern

Er hat die Lichter angezündet. 9 Kerzen haben nacheinander angefangen zu brennen, eine nach der anderen hat die Erinnerung in mein Gedächtnis gebrannt und den Blick verschwimmen lassen. Sie haben gesungen, auf den Boden gestampft und Kreisel gedreht, Schokoladenmünzen gegessen und selbstgemachte Krapfen verschlungen.

Noch ein paar Minuten zuvor habe ich mich um ihn gesorgt, war mir nicht sicher, ob er sich wohl fühlen würde in der Gruppe, wie es wäre für ihn Shir zu umarmen, die ihren Onezi nur zur Hälfte trug und ihm mit bloßen Brüsten gegenüber stand. Er, der noch vor ein paar Stunden in Nazareth nicht aus dem Auto aussteigen wollte, weil er nicht das Risiko eingehen wollte, dass Menschen über ihn reden, wie er mit einer unbekannten Frau, die nicht seine Ehefrau ist, unterwegs ist.
Ich wusste nicht, wie es für die Gruppe wäre, ihm zu begegnen. Ich hatte kaum Zeit gehabt, um ihn drauf einzustellen und wollte die Intimität des Hauses schützen, respektvoll mit ihrer Offenheit umgeben. Ich wusste nicht, wie sie auf ihn reagieren würden, dem Baumanager meines Hauses in Givatayim, in Trainigsklamotten und offentsichlich aus einer komplett anderen Welt.
Wir sind mit dem Auto gekommen, von Nazareth über Haifa nach Givat Nili. Vor einer Stunde ungefähr waren wir auf einer Straße in Haifa, überfüllt von Menschen, beleuchtet mit Weihnachtslichtern. Am Eingangskreisel sind 3 Symole aufgebaut: Mond, Stern und Tannenbaum, ein Zeichen für die Koexistenz dreier Religionen in einem Ort. Er hatte mir viel erzählt auf unserer Fahrt über die Entstehung der Religionen, über den Respekt der Muslimen gegenüber anderer Religionen. Im Islam, eine Religion die nach dem Judentum und Christentum entstanden ist und den sogenannten letzten Messias Mohammed gebracht hat, wird nicht nur der eigene Brauch ausgeführt, sondern mitgefeiert mit all den anderen Festivitäten. Jetzt war Husam also mitten drin, im Haus der Einhörner und frei ausgelebten Sexualität. Er saß am Rand, begnügte sich zurückhaltend mit etwas Salat und Wein. Nach dem Essen wollte Husam ein paar Worte aussprechen, zu der liebevollen Art miteinander umzugehen, sich bedanken und die Gruppe mit der intimen Zeremonie alleine lassen, doch als Gegenzug wurde er eingeladen um die Hanukia (den 9-fachen Kerzenständer) anzuzünden. Es war ein Moment des Bündnisses, des Willkommen-Heißens, des gelebten Wiederstandes gegen Segregation und ein Ausspruch der Liebe und des Teilens. Ein Moment der Verbindung von Baum, Mond und Stern.

Dieser Moment, der einfach entstanden ist, hat mir gezeigt, wie wertvoll es ist, hier zu sein. Unsere Rolle im Leben ist nicht immer deutlich. Manchmal suche ich verzweifelt danach, will ihr einen Namen zusprechen, sorge mich darum, die richtigen Worte zu finden und das Richtige zu tun. Ich vergesse, wie viel unsere Präsenz alleine ausmacht. Wie viel wir sagen, in dem wir sind.