“No one occupied Germany, it came from inside.”

Ich laufe durch die Allee von Bäumen und beginne zu weinen. An jedem Baum ist ein kleines Schild auf dem Boden mit einem Namen drauf. In meinem Ohr der Audio-Guide, der mir etwas Hintergrundinformationen zu dem Gebäude erklärt. Ich finde meinen Weg zu der Kinder-Gedenkstätte und weine erneut los. Auf dem Boden sehe ich DACHAU, AUSSCHWITZ, …. Und all die anderen Namen der 24 KZ-Stammlager. Ich bin erstaunt darüber, wie ein Ort eine Athmosphäse tragen kann. Ich wusste nicht, wie sehr mich das Thema berührt.

In dem Museumsbereich wird die Geschichte von Anfang an aufgerollt. Sie erzählen von den Verschwörungen gegen Juden schon vor 2000 Jahren durch das Christentum. Das Judentum (das als das auserwählte Volk gesehen wird, die Botschaft Gottes zu übermitteln) hat Jesus nicht als Messias anerkannt und wurde für seinen Tod und damit als Mörder Gottes beschuldigt. Seit dem wurde das Volk im Rang als niedriger gesehen (später mit der Rassentheorie war das dann auch biologisch begründet) und bekam immer wieder die Schuld in die Schuhe geschoben. Sie wurden als Parasiten gesehen, die die Zerstörung der gesamten Menschheit herbei führen. „Die Juden sind unser Unglück“ hieß es. Klingt gar nicht so fremd zu der Aktion des ungarischen Ministerpräsident Viktor Orban, der verordnet die Universitäten zu schließen, „weil es viele Ausländer gibt“.

“First they came for the socialists, and I did not speak out—
Because I was not a socialist.

Then they came for the trade unionists, and I did not speak out—
Because I was not a trade unionist.

Then they came for the Jews, and I did not speak out—
Because I was not a Jew.

Then they came for me—and there was no one left to speak for me.”

– Martin Niemöller

In der Führung wird deutlich, wie Flucht in den 40ger Jahren aussah. Sie nennen es „Grenzenlose Gleichgültigkeit.“ Auch damals wurde die Füchtlingskriese bedauert, doch kein Land war wirklich ebreit, etwas daran zu verändern und die Juden aufzunehmen. Die Passagiere der St. Loius wurden von Cuba und den USA zurückgewiesen und erst im letzten Moment nach ihrer Rückkehr von den westlichen Küstenstaaten in Europa aufgenommen.

„Where to go? Nobody knows. To flee… as far as possible from the danger.”

Im Laufe der Besichtigung verstehe ich mehr und mehr, warum mir das Thema so nahe geht. Sein Kern ist ein Rassismus in brutalster Form, den es auch heute noch überall gibt, der durch den Virus entblößt wird. Es fühlt sich an, als würde eine blickdichte, dunkle Plane abgenommen werden, unter der der Westen so unantastbar schien, so fortschrittlich, so unbesiegbar. Plötzlich greift die Angst wieder über. Es wird gehamstert und misstraut. Der versteckte Rassismus, der schon durch die AFD wieder ans Licht gebracht wurde, wird konkreter und alltäglicher. Alle Asiaten sind Chinesen und vermeindliche Gefahr. Ob Touristen oder Einheimische mit Migrationshintergrund, ob infiziert oder nicht. Die chinesische Nachbarin wird plötzlich zur Gefahr und das Desinfektionsmittel zur Waffe. Wie sich dieser Rassismus anfühlt, habe ich in Ramallah gespürt. Zum ersten Mal in meinem Leben wurde ich als Gefahr wahrgenommen, weil ich Deutsche bin.

Ich bin die letzte, die das Museum verlässt. Als ich den Audio-Guide zurück gebe, frage ich den Angestellten, wie er diese Stimmung Tag ein Tag aus ertragen kann. „Nicht jeden berührt das Thema emotional. Die meisten sehen es als geschichtliche Informationsquelle.“ Tja. Zu viele Juden sind wohl in den letzten Monaten meine Freunde geworden, um nicht mit dieser (unserer) Geschichte mitzufühlen. Eine Geschichte, die sich immer realer anfühlt. Ich bin weit gereist, um von den Geschehnissen in meiner Heimatstadt München zu lesen; der Stadt in der Hitler nach seinem Militärsdienst mit seiner Politik begann.