Ich gehe glücklich zurück

Spulen. Rückwärts. Ich drehe an der Kurbel bis es klickt, noch ein bisschen und ich weiß, der Film ist aufgerollt. All die Bilder aufgeräumt, als dunkle Erinnerungen aufgewickelt, bis ich sie ans Tageslicht bringe. Bis ich sie erzähle, mit meinen Freunden, mit meiner Familie teile. Bis Lieder mich zurückversetzen in diese sonderbare Zeit. Voll von Reichtum und Dankbarkeit. Ich bedanke mich, denn ich will weiter gehen, diesen Weg von Wärme, Verspieltheit, Liebe, Annahme, Mut, Neugiere, Teilenhabe und Wetschätzung. Ich habe mir den roten Teppich ausgelegt, bin bereit mein Schloss zu betreten und Königin zu sein. Die Königin, zu der ich geboren wurde, die ich schon immer war. Die Wiese vor meinem Wagen, mein Schlosspark.

Bild Nr. 23, Aviva. Noch vor zwei Tagen hatte ich auf jener Wiese eine rote Decke ausgebreitet. Ich sah Aviva mit Zuf auf ihren Rädern mit einer anderen Mutter und Kindern um die Ecke biegen und lud sie alle in mein Schloss ein. Ich schnitt ihnen Melone auf, und verteilte die dreieckigen Stücke solange, bis alles weg war. Ich hatte mehr gekauft, denn alle lieben Wassermelone. Die Kinder schnappten sich den Fußball und rannten mit ihm davon. Ein kurzer Moment, nur mit Aviva zu sein. Einer der Menschen, die mich am meisten beeindruckt haben hier. Doch auch einer, den ich wohl nie erreichen werde, so sehr wir uns auch anziehen, so nah wir uns auch fühlen. Auch sie ist Königin. Weiß sie das?

Bild Nr. 30, Yarin. Mit Banjo in der Hand, das Stück spielend, das wir jedes Mal spielen, wenn wir uns sehen. Der Mensch, der immer wieder erinnert, wie sehr er es genossen hat, mich Granatapfel essen zu sehen. Mit dem ich auf den Klippen vor dem arabischen Friedhof scheinbar ein Date hatte. Der mir gesagt hatte, aus mir würde noch eine gute Musikern werden.

Ich denke an das Bild Nr. 27, relativ dunkel wird es wohl sein, denn es war nachts und nur die Scheinwerfer der Straßen gaben Licht. 3 Menschen darauf zu sehen, wie sie vor meinem Bauwagen dem ausgebauten, bunt bemaltem Laster, auf dem Gehsteig sitzen und Tee trinken. Shemer auf einem kleinen Hocker, Roni mit Gitarre in der Hand auf dem Boden, daneben Udi, der ein ein Zündholz anzündet. Ich erinnere diesen Moment als Stunden von Verbundenheit und Begegnung. Sie alle sind mir heilig, ganz auf ihre eigene Art. Alles drei Menschen, die einen unglaublich wichtigen Teil meiner Reise ausgemacht haben. Und plötzlich treffen sie aufeinander und dürfen sich kennenlernen.
Ich lehne mich zurück und versuche loszulassen. Von der Verantwortung, sie anzufreunden. Von der Angst, sie könnten die Schönheit des anderen nicht erkennen. Ich übergebe es ihnen, und sie gestalten einen ganz besonderen Moment. Ich will schlage ihnen vor, meine Fotos vorzuführen und während wir durchblättern fange ich an zu erzählen. Mit jedem Foto tauche ich tiefer ein in das Reichtum meiner Erfahrungen. „Solche Geschichten erzählst du auch in deinem Blog?“ fragt mich Roni und schaut mich mit großen Augen an. „Weißt du ich habe noch nie so mit einer Frau gespielt. Als wir uns kennenlernten hast du mich einfach angestarrt mit diesem Hexengrinsen, grausam. Du hast dich nicht gescherrt, es einfach gemacht. Ich habe das Gefühl, mit dir fliegen zu können.“

In mir kommt das Bild Nr. 25 hoch. Hava blickt direkt in die Kamera, ihre Sommersprossen im Abendlicht, ihre Locken wie ein Blumenkranz um ihr Gesicht. Die riesigen Wellen, die salzigen Körper. Die Quallen am Strand und die Steine in ihrem Badeanzug. Sie fragt mich tausend Fragen und schenkt mir tausend Küsse. “Ich habe schon oft mit Frauen Sex gehabt, aber noch nie Liebe gemacht.” erzählt sie mir, als wir auf einem Vorsprung sitzen und den Salat auf meiner roten Decke essen. Ich grinse in mich hinein. Ich mag sie.

Den FIlm spule ich vor und zurück und lasse mich von dem warmen Gefühl umhüllen. Ich werde vermissen. All diese offenen, neugierigen, herzlichen, sonderbaren Menschen. Freudig vermissen. Denn ich habe dieses Jahr abgeschlossen. Mir Zeit genommen für den Abschied. Meine letzten Dinge verteilt, Briefe geschrieben, Umarmungen geteilt, Liebe gezeigt. Ich gehe glücklich zurück. Glücklich, weil es weiter geht und ich weiß, wo ich das nächste Jahr sein werde. An einem Ort, den ich kenne. In einem Haus mit Garten und einem Menschen, mit dem ich verstehen will, wie wir uns lieben wollen. Ich gehe glücklich zurück, weil ich weiß, dass ich hier ein Zuhause habe. Weil ich die Menschen in meinem Herzen trage und sie mich. Weil ich mich zu einem Menschen verändert habe, den ich lieben kann.

Ich schlage das Buch auf, dass mir Shiran und Frampches am Flughafen in die Hand gesteckt haben. Ein Königspaar auf dem Weg nach Israel. Ich lese die ersten Zeilen und es ist, als würden die beiden mir erzählen. Als dürfte mich das Buch begleiten, wenn sie nicht da sind. Ich lese weiter und tauche in ihre Welt ein. Erinnerungen fliegen an mir vorbei, bunte Farben auf ihren Köpfen, ihre Umarmungen, ihr liebevoller Blick. Aber vor allem ihre erinnernden Worte, ich solle immer nur das machen, was ich wolle. Ich schlage das Buch zu und schließe die Augen.

Ich gehe glücklich zurück.